Zizis

Heute war ich gleich bei drei „Zizi“-Operationen dabei, wie die Zirkumzision / Beschneidung hier unter dem Personal genannt wird. Als ich die Abkürzung und ihre Bedeutung kennen lerne, muss ich schmunzeln, heißt „zizi“ auf französisch doch umgangssprachlich Penis (allerdings mit weichem „z“ gesprochen). Der Eingriff geht schnell, ich darf assistieren, und beim dritten Mal weiß ich schon recht genau, welche Schritte aufeinander folgen.

Die Indikation der drei operierten Kinder ist dieselbe: Phimose, eine Vorhautverengung. Bei kleinen Kindern entwickelt sich diese oft noch zurück, geschieht dies jedoch nicht, ist eine Beschneidung angeraten, um Infektionen und Schmerzen bei der Erektion vorzubeugen. Auch das Risiko für Peniskarzinom und Harnwegsinfekte wird durch den Eingriff verringert.

Geschmäcker sind verschieden

Den Vater des ersten Kindes hab ich morgens noch kurz gesehen – er bat darum, auf die vollständige Beschneidung zu verzichten, falls möglich; aus kosmetischen Gründen (Alternative: eine Vorhauterweiterung mit Teilerhalt der Vorhaut). Die Eltern des zweiten Patient dagegen wünschten, dass möglichst viel der Vorhaut wegkommt; ein „high and tight“ beschnittener Penis sei besonders bei Muslimen präferiert, erklärt mir der Arzt. Ich wusste gar nicht, dass es hier unterschiedliche Vorlieben und damit auch OP-Methoden gibt!

Nachmittags in der Sprechstunde sehe ich gleich drei weitere Jungen, die von ihren Eltern zur OP-Indikation Zirkumzision vorgestellt werden. Ein Junge ist noch zu klein, hier rät die Ärztin vorerst zur lokalen Therapie mit Cortisonsalbe, es sei einen Versuch wert, das Problem konservativ zu lösen. Der zweite Junge hat diese Behandlung bereits hinter sich, erfolglos, er bekommt einen OP-Termin. Und der Dritte?

Andere Motive

„Ihr Sohn hat keine Vorhautverengung, das können wir nicht machen. Wir dürfen diese OP hier nur durchführen, wenn eine medizinische Indikation besteht, und diese kann ich bei Ihrem Sohn nicht feststellen.“, erklärt die Ärztin den Eltern (türkisch? arabisch?), die enttäuscht kucken. Eine Praxis habe sie bereits abgewiesen, weil der Sohn Autist sei und er deswegen keine Narkose vertrage, jetzt wüssten sie nicht weiter. Man merkt, dass den Eltern das Anliegen wichtig ist. Seufzend schreibt die Ärztin die Adresse eines niedergelassenen Kollegen auf, „Ihr Sohn ist gesund, er hat nur eine Wahrnehmungsstörung, das spielt keine Rolle für die Narkose. Wenden Sie sich an diesen Kollegen, der wird das machen.“

Zizi-Fakten

Mich beschäftigt das Thema, und abends google ich ein bisschen: Wusstet ihr, dass die WHO die Beschneidung in Ländern mit hoher HIV-Prävalenz als Teil der Anti-AIDS-Strategie empfiehlt? Denn laut drei randomisiert-kontrollierten Studien nimmt die Ansteckungsgefahr bei heterosexuellem Geschlechtsverkehr nach Beschneidung um ca. 60% ab. Und dass nicht nur die meisten Muslime ihre Söhne beschneiden lassen, sondern auch Juden, und zwar schon am 8. Lebenstag? Überrascht hat mich außerdem, dass auch in den USA sehr viele Babys beschnitten werden – 2005 waren es 56% aller männlichen Neugeborenen, die das Krankenhaus ohne Vorhaut verließen, im Mittleren Westen waren es sogar bis zu 75%. Wieder etwas Neues gelernt!

Link zur WHO-Empfehlung von 2007

 

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